Schloss Schwarzburg zu einem außerschulischen Lernort machen – das ist eines der Ziele einer Kooperation der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Den Auftakt bildete gestern ein Seminar, zu dem beide Institutionen gemeinsam Bildungsakteure aus der Region eingeladen hatten. Mit dem Oberschloss Kranichfeld steht aber auch ein weiteres Kulturdenkmal im Fokus der neu angebahnten Zusammenarbeit.
Inhaltliche Schnittstelle für die Kooperation ist die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus. Auf Schloss Schwarzburg hat der 1940 begonnene und zwei Jahre später abgebrochene Umbau zum Reichsgästehaus schwerwiegende Spuren hinterlassen. Das Oberschloss Kranichfeld, seit 1934 teilweise eine Brandruine, sollte ebenfalls für die Repräsentation der Nationalsozialisten ausgebaut werden. In beiden Fällen spielt der geplante und teils auch durchgeführte Einsatz von Zwangsarbeitern eine Rolle. Auf dem Oberschloss Kranichfeld, wo 1941 ein Außenlager des KZ Buchenwald eingerichtet worden war, geht es bei der Zusammenarbeit um Teile der neuen Dauerausstellung, an der die STSG derzeit arbeitet. Auf Schloss Schwarzburg steht derzeit die Einbindung in die außerschulische Bildungsarbeit im Vordergrund.
Mit dem nun angestoßenen Projekt auf Schloss Schwarzburg sollen vor allem Jugendliche anhand des vorrangig als Ausflugsziel bekannten Denkmals lernen, wie man sich komplexe historische Zusammenhänge erschließen kann. Auf Grundlage der Diskussionsergebnisse mit Lehrerinnen und Lehrern und Vertretern von Bildungsträgern sollen Materialien und Bildungsformate entwickelt werden, die für das schulische Lernen am anderen Ort genutzt werden können. Schloss Schwarzburg gehört zu den Landmarken, die prägend für die Identität der Region sind. Ziel des Vorhabens ist es, durch Beobachtungen und Erlebnisse vor Ort, ergänzt durch Quellenmaterial, abstrakte Geschichte greifbar zu machen und so in der Gesellschaft kritisches Geschichtsbewusstsein und historische Urteilskraft zu stärken.
Dr. Doris Fischer, Direktorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, erläutert den Hintergrund: „Lange Zeit haben sich die deutschen Schlösserverwaltungen vor allem für die Zeit vor 1918 interessiert und die nachfolgenden Jahrzehnte ein stückweit ausgeblendet. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen beschäftigen sich inzwischen damit, wie im Nationalsozialismus und in der DDR-Zeit mit Schlössern und Burgen umgegangen wurde. Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten ist an den deutschlandweiten Initiativen von Beginn an beteiligt. Mit Schloss Schwarzburg haben wir in Thüringen ein besonders eindrucksvolles Beispiel, an dem sich die Sichtweise der Nationalsozialisten auf das bauliche Erbe geradezu physisch ablesen lässt. Um das zu vermitteln, brauchen wir innovative Bildungsansätze. Wir sind deshalb sehr froh, mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora eine exzellente Partnerin in Sachen Zeitgeschichte und Bildung gewonnen zu haben.“
Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, erklärt das Interesse an den beiden Schlössern: „Historische Stätten wie die Schwarzburg und das Oberschloss Kranichfeld können hervorragende Orte sein, sich mit der Vielfalt und der Ambivalenz von Geschichte auseinanderzusetzen. Wenn wir dort auch die NS-Geschichte thematisieren, geht es nicht um moralische Zeigefinger, sondern die Möglichkeit, im Sinne eines kritischen Geschichtsbewusstseins die historische Bedingtheit des eigenen Lebens zu reflektieren. Ich bin hocherfreut, dass die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten an uns herangetreten ist, unsere Kompetenzen gemeinsam dafür einzusetzen, die beiden Schlösser zu Orten historischer Bildung zu entwickeln, die auch das 20. Jahrhundert in den Blick nehmen. Nicht zuletzt wird so deutlich, dass es verfehlt wäre, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nur auf Stätten wie Buchenwald einzuengen. Erst die Einbettung in die Gesellschaftsgeschichte, in das Wechselspiel von propagierter „Volksgemeinschaft“ und Ausgrenzung, führt zu Erkenntnissen, die auch für die Gegenwart relevant sind.“
Abbildung: Welche Geschichte hat das Denkmal zu erzählen? – Thema des Workshops auf Schloss Schwarzburg, Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller